Kinderschutz in Zeiten der Corona-Pandemie

Wenn Erwachsene mit Ängsten und Zukunftssorgen belastet sind, können Kinder leicht aus dem Blick geraten. Besonders in beengten Wohnverhältnissen und einem wenig kinderfreundlichen Sozialraum ist das Potential für Konflikte und Streitigkeiten erhöht. Es fällt gerade in Zeiten von Unsicherheit und Belastung meist doppelt schwer, sich angemessen und zugewandt um Kinder zu kümmern und ihnen Sicherheit und Schutz zu gewähren.

  • Kinder brauchen regelmäßige Mahlzeiten, Gespräche und Anregungen - und das nicht nur in Krisenzeiten. Aber sie brauchen auch gerade jetzt verlässliche Eltern und Bezugspersonen, die ihnen eine klare Struktur, Regeln und Grenzen vorgeben, aber auch liebe- und verständnisvoll reagieren.
  • Es gibt Fachkräfte und Ehrenamtliche, die sich aktuell besondere Sorgen um einige Kinder machen, deren familiäre Lage angespannt ist. Auch wenn der Publikumsverkehr in Ämtern und Behörden zumeist eingeschränkt wurde, so gilt das staatliche Wächteramt von Jugendamt und Polizei weiterhin. Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) des jeweiligen Landkreises ist auch künftig zuständig bei Fragen zum Kinderschutz und bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung.
  • Wer als pädagogische Fachkraft mit nur sehr wenigen Kindern jetzt in der Einrichtung tätig ist oder im Homeoffice konzeptionell arbeitet, sollte die Zeit auch für die persönliche und fachliche Weiterbildung nutzen. Nutzen Sie die Zeit, um Fachinformationen und Handbücher wie den Kinderschutzordner des eigenen Landkreises zu studieren. Um welches Kind der Gruppe machen Sie sich eventuell schon etwas länger Sorgen? Nutzen Sie die Zeit um gezielte Beobachtungen vorzubereiten und Ihre Dokumentationen zu vervollständigen. Bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung haben Sie auch jetzt Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Nutzen Sie diese Chance der gemeinsamen Gefährdungseinschätzung!
  • Für Leitungen von Einrichtungen kann es jetzt auch die Zeit sein, sich damit auseinander zu setzen: Was machen wir als Einrichtung eigentlich für den Schutz unserer Kinder? Welche Teile des Schutzkonzeptes sind vielleicht noch offen und müssen angegangen werden? Wie sieht unser interner Schutzplan aus? Sind alle Mitarbeitenden umfassend und aktuell geschult? Vielleicht brauchen Sie und Ihr Team noch einmal eine Auffrischung oder einen neuen Input zum Thema Kinderschutz in der Einrichtung?
  • Kinder in häuslicher Isolation brauchen jetzt besonders aufmerksame Betreuungspersonen und Nachbarn, die ihre Zeichen richtig deuten können. Bieten Sie gestressten und überforderten Eltern Ihre Hilfe an. Scheuen Sie sich nicht, Vorfälle und Situationen, die Ihnen Bauchschmerzen bereiten, den zuständigen Stellen zu melden. Schauen Sie bei Kindeswohlgefährdungen in ihrem Umfeld nicht weg! Dies hat nichts mit einer "Einmischung" zu tun, sondern mit Verantwortungsbewusstsein gegenüber Kindern, die nun evtl. besonders auf Ihre Hilfe angewiesen sind, weil ihr sonstiger Schutzraum (z.B. Schule oder Kita) weggebrochen ist.
  • Eltern müssen sich derzeit besonders intensiv und geduldig mit den Bedürfnissen von Kindern auseinandersetzen. Sie brauchen gerade in angespannten Phasen für sich wirksame Methoden der Stressreduzierung. Manchmal hilft es schon, für ein paar Minuten aus dem Zimmer zu gehen und durchzuatmen. Wenn das Kind sicher ist, können Sie auch Ihrem Ärger mit einem kurzen Telefonat Luft machen oder kurz vor die Tür gehen.
  • Aber egal, was passiert: Schütteln Sie niemals ihr Baby, schreien Sie ihr Kind nicht an oder tun Sie ihm in irgendeiner Weise weh! Für ein Kind ist dies, auch wenn es aus Überforderung heraus geschieht, immer verletzend und ein Vertrauensbruch in der Beziehung.
  • Ihr Kind hat ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Schützen Sie es vor Gewalt! Auch für Partner, Geschwisterkinder oder andere Erwachsene gilt: Niemand darf ihr Kind verletzen oder schädigen. Vergessen Sie in diesem Zusammenhang nicht: Auch Worte können weh tun. Lassen Sie nicht zu, dass Ihr Kind erniedrigt, beleidigt oder lächerlich gemacht wird!
  • Kinder leiden, wenn sie mit anhören oder ansehen müssen, wie sich Erwachsene untereinander Gewalt antun. In sogenannten Interventionsstellen und Schutzhäusern finden betroffene Frauen (und inzwischen auch immer mehr Männer) Beratung und Schutz vor häuslicher Gewalt. Ein Kind ist in einer solchen Situation immer in irgendeiner Weise mit davon betroffen. Holen Sie sich in Notsituationen Hilfe und Unterstützung – auch Ihrem Kind zuliebe!
  • Vor allem jetzt gilt mehr denn je: lassen Sie ihr Kind nicht allein bei Fremden! Egal ob Nachhilfe-Angebote von Internetbekanntschaften oder Unterstützungsannoncen fürs "Babysitten". Behalten Sie auch in schwierigen Betreuungssituationen eine gesunde Skepsis und prüfen sie Hilfsangebote gründlich. Kinder brauchen gerade in unsicheren Zeiten verlässliche Bezugspersonen und sensible Eingewöhnungszeiten, um Beziehungen aufzubauen und stressfrei "ankommen zu können".
  • Überfordern Sie Ihr Kind in diesen Zeiten nicht. Einige von ihnen leiden still und trauen sich nicht, ihre Ängste offen anzusprechen. Vielleicht haben sie von dem aktuellen Fall vor einigen Tagen gehört, bei dem ein 11-jähriger Junge die Polizei rief, weil seine Mutter nicht da war und er sich einfach einsam fühlte. Sprechen Sie mit Ihrem Kind und erklären sie ihm unaufgeregt und kindgerecht, wenn es Fragen hat und nach Antworten sucht. Auch scheinbar stille Kinder, die vermeintlich alles gut wegstecken, brauchen jetzt Zuspruch und Aufmunterung.
  • Achten Sie als Eltern trotz allem weiterhin auf einen gesunden und altersgerechten Medienkonsum Ihres Kindes. Feste Bildschirmzeiten geben hier Orientierung. "SCHAU HIN!", eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der öffentlich-rechtlichen Sender, empfiehlt als Richtwert für Kinder bis fünf Jahre: bis eine halbe Stunde Bildschirmzeit am Tag und zwischen sechs bis neun Jahre bis zu einer Stunde Bildschirmzeit am Tag. Bei älteren Kindern ab zehn Jahre empfiehlt es sich, ein wöchentliches Zeitkontingent zu vereinbaren. Eine Orientierung bietet folgende Faustregel: zehn Minuten Medienzeit pro Lebensjahr am Tag oder eine Stunde pro Lebensjahr in der Woche.

Sie haben trotz allem das Gefühl überfordert zu sein und wissen sich nicht zu helfen? Dann scheuen Sie sich nicht, Hilfe bei Beratungsstellen zu suchen, die in der Regel online erreichbar sind. Eine weitere telefonische Anlaufstelle ist darüber hinaus die "Nummer gegen Kummer". Sowohl rat- und hilfesuchende Kinder und Jugendliche (bundesweit unter der Telefonnummer 116111, Mo.-Sa. 14-20 Uhr) als auch Eltern (bundesweit unter der Telefonnummer 0800 111 0 550, Mo.-Fr., 9-11 Uhr, Di. und Do., 17-19 Uhr) können hier ihre Fragen loswerden.

(Quelle: DKSB LV Sachsen e.V.)